Spiritual Care und Seelsorge sind ein wichtiger Aspekt bei Palliative Care

Am Freitag, 24. Februar 2023 fand das 2. Netzwerktreffen in den Räumen der katholischen Kirche in Zweisimmen statt. Eingeladen hatte der Verein Palliative CareNetzwerk Region Thun und die GSS (Gesundheit Simme Saane AG). Die teilnehmenden Institutionen, Vereine – alle mit Bezug zu Pflege und Palliative Care – sowie auch Vertreter der Kirchgemeinden und politischen Gemeinden erhielten wertvolle, hilfreiche Informationen zum Thema «Spiritual Care und Seelsorge». Ebenfalls stellte sich beocare – Entlastung Angehörige SRK vor.

Unter «Palliative Care» versteht man alle Massnahmen, die das Leiden eines unheilbar kranken Menschen lindern und eine bestmögliche Lebensqualität bis zum Lebensende ermöglichen. Damit dies erfolgreich umgesetzt werden kann, hat sich der Verein Palliative CareNetzwerk Region Thun zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit und Vernetzung von verschiedenen Organisationen in der Region zu stärken. Er fördert die Weiterbildung in Palliative Care, baut Freiwilligenarbeit auf und möchte die Bevölkerung und Fachpersonen sensibilisieren. Seit Anfang 2021 betreibt der Verein den Mobilen Palliativ Dienst (MPD), für den Jolanda Fähndrich in der Region Simmental/Saanenland unterwegs ist. Der MPD unterstützt zum Beispiel die Spitex und Pflegeheime bei komplexen Situationen zum Wohle des Patienten. Um die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Institutionen, die im Bereich Palliative Care tätig sind, weiter zu fördern, organisieren der Verein Palliative CareNetzwerk Region Thun und die Gesundheit Simme Saane AG (GSS) seit letztem August zwei Mal jährlich Netzwerktreffen. Neben dem persönlichen Austausch sind jeweils interessante Vorträge Schwerpunkt der Zusammenkünfte und auch die einzelnen Institutionen und Vereine haben die Gelegenheit, sich vorzustellen.

Am letzten Freitag stellte Seelsorger Pascal Mösli als Beauftragter Spezialseelsorge & Palliative Care der RefBejuso (Reformierte Kirche BernJura Solothurn) das Indikationen-Set für Spiritual Care und Seelsorge vor. Innerhalb einer Arbeitsgruppe mit Berner und St. Galler Fachpersonen der Seelsorge überlegten sich diese im Dialog mit Gesundheitsfachpersonen, was den Gesundheitsfachleuten in die Hand gegeben werden könnte, um herauszufinden, ob Patienten eine seelsorgerische, spirituelle Begleitung gut tun würde.

Was ist Spiritualität?

Spiritualität ist für alle Menschen ein Thema – bewusst oder unbewusst – und zeigt sich häufig nicht auf Anhieb, so Pascal Mösli. Aber was ist dies genau? Eine sehr mögliche Definition ist die Konsenusdefinition, Bigorio 2008: «Spiritualität durchdringt alle Dimensionen menschlichen Lebens. Sie betrifft die Identität des Menschen, seine Werte, alles, was seinem Leben Sinn, Hoffnung, Vertrauen und Würde verleiht. Spiritualität wird erlebt in der Beziehung zu sich selber, zu anderen und zum Transzendenten (Gott, höhere Macht, Geheimnis …). Zur Spiritualität gehören die Fragen, die angesichts von Krankheit und Endlichkeit des Lebens aufkommen, ebenso wie die individuellen und gemeinschaftlichen Antworten, die dem erkrankten Menschen als Ressource zur Verfügung stehen.»

Spiritualität – bewusst oder auch unbewusst – ist für alle Menschen relevant

Die Konsenusdefinition umfasst sehr schön alle Aspekte der Spiritualität und zeigt auf, dass diese nicht nur mit Religion verbunden ist. Sie gehört zum Menschen dazu. Am einfachsten zu erkennen sind natürlich die religiösen Formen. Dazu gibt es aber auch die explizite Form: Die Menschen können darüber reden, ihnen sind zum Beispiel Zeiten der Stille wichtig. Bei Menschen mit implizierten Formen ist das Erkennen der Spiritualität am schwierigsten. Diese empfinden sie nicht als spirituell, äussern sich aber zum Beispiel, indem sie gerne im Wald sind, in den Bergen, der Natur, vielleicht auch in aller Ruhe eine Zigarre rauchen… Vielfältige Formen sind möglich und vor allem, wenn die Menschen mit ihrem Lebensende konfrontiert sind, ist eine seelsorgerische Begleitung oft sehr hilfreich und unterstützend.

Wichtigkeit der spirituellen Begleitung im Palliative Care ist anerkannt

Seit 2009 ist die Wichtigkeit der spirituellen Begleitung mit der Aufnahme in die von BAG und GDK (Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz) erarbeitete «Nationale Leitlinie Palliative Care» anerkannt worden. Dort heisst es: «Die spirituelle Begleitung leistet einen Beitrag zur Förderung der subjektiven Lebensqualität und zur Wahrung der Personenwürde angesichts von Krankheit, Leiden und Tod. Dazu begleitet sie die Menschen in ihren existenziellen, spirituellen und religiösen Bedürfnissen auf der Suche nach Lebenssinn, Lebensdeutung und Lebensvergewisserung sowie bei der Krisenbewältigung. Die persönliche Spiritualität kann religiös oder konfessionell geprägt, aber auch religionsunabhängig sein.»

Indikationenset für Spiritual Care und Seelsorge

Pascal Mösli definiert: «Sterben ist ein persönlicher Prozess mit medizinischen Aspekten.» Pfarrer haben von Berufwegen eine seelsorgerische Ausbildung und sind sozusagen Profis in der Sterbebegleitung, auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder zur persönlichen spirituellen Haltung. Dies ist vielen nicht bewusst. Darum wurde vor circa drei Jahren das Indikationenset als Instrument für Gesundheitsfachpersonen zum Beizug der Seelsorge entwickelt. Dieses geht von vier Ebenen/Bereichen aus, wie erkannt werden kann, dass für den Patienten oder die Patientin seelsorgerische Hilfe gut wäre. – Sinn: Sinn- und Schicksalsfragen, Trauer und Verzweiflung. Jeder Mensch hat das Bedürfnis, das eigene Tun und die Lebenszusammenhänge sinnhaft zu erleben. – Transzendenz: Rückzug und Einsamkeit, Ungewissheit. Unsicherheit in Bezug auf die Dimension in und ausserhalb der Person, in die diese eingebunden ist. – Identität: Scham- und Schuldgefühle. Der Mensch hat das Bedürfnis, dass die Einzigartigkeit seiner Person in seinem Umfeld gewürdigt wird und weiter bestehen kann. – Werte: Ethische Konflikte, zum Beispiel in Bezug auf die Betreuung, Versorgung und Behandlung. Im Behandlungsalltag soll das Tool Hilfestellung bieten, damit die Bedürfnisse und Verhaltensweisen, welche die Spiritualität berühren, leichter wahrgenommen und Bedürfnisse identifiziert werden.

Vorstellung beocare – Entlastung Angehörige SRK In Vertretung für Anita Boller, die die Aussenstelle in Saanen betreut, stellte Ursula Ming (Aussenstelle Frutigen) nach der Kaffeepause die Arbeit von beocare – Entlastung Angehörige SRK vor. Beocare ist ein Projekt vom Schweizerischen Roten Kreuz Bern- Oberland und in dem Sinne kein Arbeitgeber, sondern vermittelt Freiwillige, für die das Helfen eine Herzensangelegenheit ist. Die Freiwilligen werden vor ihrem Einsatz vom SRK Kanton Bern geschult (z. B. im Demenzkurs, Kurs Passage, in Weiterbildungskursen) und können sich nach und während ihrer Einsätze immer bei der zuständigen Aussenstelle beraten lassen. Sie übernehmen Aufgaben, wie Betreuung und Freizeitgestaltung kranker Angehörige: Vorlesen, Musizieren, Spielen, Zuhören, Ausfahren zur Abwechslung, Begleiten bei Spaziergängen …, aber keine pflegerisch medizinische Verantwortung und keine Haushaltsarbeiten. Dafür sind andere Institutionen zuständig. Ziel von beocare ist, dass die erkrankten Personen weiter ein selbstbestimmtes Leben zu Hause haben können. So ist beocare eine Anlaufstelle für Beratung, Betreuung, Entlastung und auch Sterbebegleitung. Im letzten Jahr wurden 27 Prozent mehr Sterbebegleitungen gemacht, immer mehr Menschen möchten zu Hause sterben. Eine diplomierte Fachperson sucht nach Lösungen, informiert die Kunden über Angebote (in der Regel die Angehörigen) und zeigt auf, wer sie in gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Belangen unterstützen kann. «Auch für beocare», so Ursula Ming, «sind die Netzwerktreffen sehr interessant, da für sie als Vermittler von Leistungen wichtig ist, auch die Arbeit der anderen Institutionen und Ansprechpartner/- innen zu kennen. Ein nächstes Treffen ist bereits im August in Planung. Mit dem Ziel, die Zusammenarbeit weiter zu stärken, verabschiedeten sich die beiden Organisatoren, Annerös Schneider und Alexander Gäumann.

Simmental Zeitung/Kerstin Kopp (Bericht vom Do., 2. März 2023)

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