Die Region stellt die Weichen in der Grundversorgung

 

Am 25. August 2023 haben die Gemeinden des Obersimmentals und des Saanenlandes über das Versorgungsmodell «Gesundheitsnetz Simme Saane» abgestimmt. Die Stimmberechtigten der Gemeinden Boltigen, Lauenen, Lenk, Saanen, St. Stephan und Zweisimmen haben der Vorlage zugestimmt; die Gemeinde Gsteig hat das Geschäft abgelehnt. Da die Abstimmung unter der Bedingung stand, dass alle Gemeinden zustimmen müssen, war die Vorlage gescheitert.

Die Gemeinderäte der sechs zustimmenden Gemeinden haben aufgrund der klaren Mehrheiten beschlossen, die Vorlage den Stimmberechtigten ein zweites Mal vorzulegen. Das Geschäft ist inhaltlich unverändert: Nach wie vor geht es darum, die Strukturen der Gesundheitsversorgung im Simmental und Saanenland auf die künftigen regionalen Anforderungen und Bedürfnisse auszurichten. Dabei soll insbesondere die Versorgung mit einem Akutspital sichergestellt werden. Damit das Versorgungsmodell umgesetzt werden kann, müssen die Gemeinden finanzielle Beiträge leisten.

 Am 19. November 2023 entscheiden die Gemeinden Boltigen, Lauenen, Lenk, Saanen, St. Stephan und Zweisimmen über einen finanziellen Beitrag an das integrierte Versorgungsnetz mit einem Akutspital. Damit stellen sie die Weichen für die künftige medizinische, pflegerische und therapeutische Grundversorgung in der Region. Konkret befinden sie über einen jährlich wiederkehrenden Beitrag für den Betrieb des geplanten Versorgungsnetzes von insgesamt 1.5 Mio. Franken ab dem Jahr 2025 sowie über einen Aufbau- und Entwicklungskredit von jährlich 300‘000 Franken für die Periode 2024 bis 2028. Die Beiträge der einzelnen Gemeinden werden auf Basis der Einwohnerzahl und Logiernächte festgelegt.

Effektiv fliessen werden die Gemeindebeiträge nur, wenn auch der Kanton Bern seinen Teil beiträgt. Der Finanzierungsplan sieht seitens des Kantons eine Bürgschaft von 20 Mio. Franken sowie ein Darlehen von 13 Mio. vor. Zudem unterstützt der Kanton das Versorgungsnetz mit jährlich 2 Mio. Franken.

Ohne Bekenntnis der Region zum Spital hat das Geschäft weder im Regierungsrat noch im Kantonsparlament eine Chance. Nur bei einem Ja zur finanziellen Beteiligung der Gemeinden kann die kantonale Gesundheitsdirektion ihre Abklärungen zur Finanzierbarkeit vertiefen und das Projekt für ein Gesundheitsnetz mit Akutspital abschliessend beurteilen.

 

Fragen und Antworten

Ausgangslage und Ziele

Was umfasst das geplante Gesundheitsnetz mit Akutspital?

Das Obersimmental und das Saanenland wollen in der medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Grundversorgung die Kräfte bündeln und das Heft selbst in die Hand nehmen. Eine qualitativ hochstehende Grundversorgung ist finanziell künftig nur noch tragbar, wenn alle Leistungspartner eng und koordiniert zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit ermöglicht es, das Angebot verstärkt auf die regionalen Bedürfnisse auszurichten. Konkret umfasst das geplante Gesundheitsnetz das Akutspital in Zweisimmen, die Langzeitpflege, die Spitex, das Alterswohnen und das Geburtshaus Maternité Alpine. Teil des Projekts ist ein Spitalneubau in Zweisimmen. Gemäss Einschätzung eines externen Planers erfüllt das heutige Spital die heutigen betrieblichen Anforderungen nicht mehr, ist baulich ungeeignet für die Weiterentwicklung des Angebots und für die Umsetzung integrierter Versorgungsprozesse. Ohne Ausbau und Anpassung des medizinischen Angebots, ohne optimierte Prozesse und ohne die finanzielle Unterstützung der Gemeinden und des Kantons lässt sich eine kostendeckende und nachhaltige Versorgungsstruktur nicht erreichen. Ziel des integrierten Versorgungsmodells ist es, ein neues Spital als Teil eines regionalen Gesundheitscampus langfristig zu sichern.

Wie soll das Gesundheitsnetz organisiert sein?

Träger des geplanten Gesundheitsnetzes sind die sieben Gemeinden Boltigen, Zweisimmen, St. Stephan, Lenk, Saanen, Lauenen und Gsteig. Sie bilden mit den weiteren vier Gemeinden Därstetten, Diemtigen, Erlenbach und Oberwil das Aktionariat der 2019 gegründeten Gesundheit Simme Saane AG (GSS AG). Unter dem Dach der GSS AG werden das Spital, das Geburtshaus Maternité Alpine, das Alterswohnen (Standorte Zweisimmen und Saanenland) und die Spitex Saane-Simme vereint: organisatorisch, finanziell und rechtlich. Eine zentrale Geschäftsstelle übernimmt schrittweise bestimmte Aufgaben für alle Betriebe wie z.B. das Finanz- und Rechnungswesen, die IT und das Personalwesen. Die einzelnen Betriebe werden dadurch administrativ entlastet; sie profitieren von Synergien und können sich verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Worüber stimmen die Gemeinden ab?

Die langfristige Finanzierung des Spitals im Gesundheitsnetz ist nur möglich, wenn sich die Partnergemeinden finanziell beteiligen. An der Urnenabstimmung vom 19. November 2023 befinden die Gemeinden Boltigen, Lauenen, Lenk, Saanen, St. Stephan und Zweisimmen über einen jährlich wiederkehrenden Beitrag für den Betrieb des integrierten Versorgungsnetzes von insgesamt 1.5 Mio. Franken ab dem Jahr 2025 sowie über einen Aufbau- und Entwicklungskredit von jährlich 300‘000 Franken für die Periode 2024 bis 2028. Die Beiträge der einzelnen Gemeinden werden auf Basis der Einwohnerzahl und Logiernächte festgelegt. Zweisimmen als Standortgemeinde des Spitals übernimmt vorweg einen jährlichen Pauschalbeitrag von 10 Prozent als Standortabgeltung. Effektiv fliessen werden die Gemeindebeiträge nur, wenn die Gesamtfinanzierung zu Stande kommt. Für die Finanzierung eines Spitalneubaus ist die Unterstützung des Kantons notwendig: Der Businessplan sieht seitens des Kantons eine Bürgschaft von 20.0 Mio. Franken sowie eine Kreditlimite von 13.0 Mio. Franken vor. Das Kantonsparlament stimmt – sofern der Regierungsrat das Geschäft unterstützt – in der Frühjahrssession 2024 darüber ab. Zusätzlich beabsichtigt der Kanton, das Versorgungsnetz mit einem jährlich wiederkehrenden Beitrag in der Höhe von 2 Mio. Franken zu unterstützen. Der entsprechende Antrag wurde eingereicht.

Warum hat der Regierungsrat noch nicht entschieden?

Damit der Regierungsrat dem Kantonsparlament die Bürgschaft und den Kredit beantragen kann, benötigt er zuerst den Volksentscheid aus dem Obersimmental und Saanenland. Ohne Bekenntnis der Region zum Spital hat das Geschäft sowohl im Regierungsrat wie im Kantonsparlament wenig Chancen. Erforderlich ist also ein starkes Signal der Bevölkerung. Erst nach der Urnenabstimmung vom 19. November 2023 wird der Regierungsrat über den Antrag ans Kantonsparlament befinden.

Was ist die Haltung der kantonalen Gesundheitsdirektion?

Im November 2022 unterzeichneten die kantonale Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI), die Spital STS AG und die GSS AG eine gemeinsame Absichtserklärung für ein Versorgungsnetz mit Akutspital. Im März 2023 erklärte sich der Regierungsrat grundsätzlich zur finanziellen Unterstützung eines solchen Projektes bereit. Er will sich aber erst aufgrund des definitiven Antrags der GSS AG abschliessend positionieren und über die Unterbreitung eines Antrags an den Grossen Rat befinden. Die GSS AG steht im engen Austausch mit dem Kanton. Der Antrag auf ein Darlehen und eine Bürgschaft und der zugrunde liegende Businessplan wurden aufgrund der Fragen und Anmerkungen des Kantons angepasst. In einem Schreiben vom 5. Juli 2023 bekräftigte Regierungsrat Pierre Alain Schnegg, dass auch ein Beitrag der Gemeinden erforderlich sei, um die Finanzierung des Spitalbetriebs in Zweisimmen zu sichern. Sonst könne das Spital nicht weiterbetrieben werden, stattdessen würde ein ambulantes Gesundheitszentrum von der Spital STS AG aufgebaut. Die Stimmberechtigten stehen somit vor einer Weichenstellung zwischen einem Akutspital mit 24-Stunden-Notfall und einem ambulantem Gesundheitszentrum mit Notfallangebot: Nur bei einem Ja zur finanziellen Beteiligung der Gemeinden kann die kantonale Gesundheitsdirektion ihre Abklärungen zur Finanzierbarkeit vertiefen und den Antrag für Bürgschaften und Kreditlimite abschliessend beurteilen.

Kommt die Zusammenarbeit mit dem Pays d’Enhaut zustande?

Im März 2023 äusserte der Regierungsrat den Wunsch nach einer Gesamtlösung mit dem Waadtländer Pays-d’Enhaut. Da es sich um eine überkantonale Kooperation handeln würde, führen die beiden betroffenen Gesundheitsdirektionen die Gespräche. Ohne Vorwissen dieser Gespräche fand eine erste Besprechung mit der Betriebsleitung des Spitals Pays d’Enhaut in Château- d’Oex bereits im Dezember 2022 statt. Zwischenzeitlich wechselte die Betriebsleitung. Weitere Gespräche sollen demnächst stattfinden. Das Einzugsgebiet im Pays d’Enhaut umfasst rund 4’600 Einwohnerinnen und Einwohner. Eine Zusammenarbeit könnte zusätzliche stationäre und ambulante Fälle bringen.

Was passiert, wenn eine der sechs Partnergemeinden Nein sagt?

In diesem Fall wird das Gesundheitsnetz mit Akutspital nicht umgesetzt und stattdessen ein ambulantes Gesundheitszentrum von der Spital STS AG aufgebaut. 

Was passiert bei einem Nein des Grossen Rats?

Ohne die Bürgschaft und den Kredit des Kantons ist das Gesundheitsnetz mit Akutspital nicht realisierbar.

Ein Spital für die Region

Ist es sinnvoll, wenn Gemeinden in der Spitalversorgung mitbestimmen?

Dem Kanton Bern obliegt die Sicherstellung der stationären Spitalversorgung und des Rettungswesens für die Wohnbevölkerung. Der Kanton betreibt jedoch keine Spitäler, sondern erteilt die für die Versorgung notwendigen Leistungsaufträge an geeignete Leistungserbringer. Die Gemeinden werden bei Spitalversorgungsentscheidungen in aller Regel nicht konsultiert. Jüngstes Beispiel ist das Spital Münsingen, das durch die Inselgruppe geschlossen wurde. Für Münsingen und die benachbarten Gemeinden ist das ein Schock, sie hatten faktisch aber keine Möglichkeit, die Schliessung abzuwenden. Mit den Konsultativabstimmungen 2021/2022 haben sich die Gemeinden im Obersimmental und Saanenland grundsätzlich bereit erklärt, das Spital Zweisimmen direkt mitzufinanzieren und im Gegenzug die strukturellen Grundlagen für die langfristige Sicherung der medizinischen Grundversorgung in der Region zu schaffen. Das ist ein Novum im Kanton Bern. Dass es funktioniert und finanziell tragbar ist, zeigt das Beispiel Scuol im Unterengadin. Dort konnte das Spital als Teil einer integrierten Versorgung erhalten und weiterentwickelt werden.

Inwiefern taugt das Modell Scuol als Vorbild?

Das Spital Scuol ist Teil des integrierten Versorgungsmodells «Gesundheitszentrum Unterengadin». Das Spital, die Alters- und Pflegeheime, die Spitex sowie andere Anbieter sind in einer Stiftung zusammengeschlossen. Die Verhältnisse sind sehr ähnlich wie in der Region Simme Saane: Auch das Unterengadin ist eine Bergregion mit saisonalen Schwankungen bei der Patientenzahl und einem stetig wachsenden Anteil älterer Menschen. Das Einzugsgebiet des Spitals Scuol umfasst 7’800 Einwohnerinnen und Einwohner. Das Obersimmental und das Saanenland zählen doppelt so viele Menschen, womit das Spital Zweisimmen hinsichtlich potenzieller Auslastung sogar bessere Voraussetzungen hat. Das Versorgungsmodell im Unterengadin wurde wissenschaftlich untersucht. Die Studie ergab eine hohe Patientenzufriedenheit zu tieferen Kosten im Vergleich zu Regionen ohne integrierte Versorgung im Kanton Graubünden. Zusätzlich analysierte das Beratungsunternehmen KPMG 2020 die finanziellen Auswirkungen und stellte Kostenvorteile bei den administrativen und technischen Aufgaben von bis zu 30 Prozent fest. Diese Ergebnisse können aber nicht 1 zu 1 übertragen werden.

Gibt es Unterschiede zwischen Scuol und Zweisimmen?

Teilweise bestehen regulatorische Unterschiede. Im Kanton Graubünden ist die Subventionierung sogenannter «gemeinwirtschaftlicher Leistungen» durch den Kanton umfangreicher; die von den Kantonen Bern und Graubünden geleisteten Zahlungen etwa an den Betrieb eines Spitalnotfalles rund um die Uhr sind also unterschiedlich geregelt. Bei der Erarbeitung des Businessplans für das Gesundheitsnetz Simme Saane wurden diese Unterschiede berücksichtigt und rechnerisch bereinigt. Philipp Gunzinger, Stiftungsratspräsident des Gesundheitszentrums Scuol, begleitet die Arbeiten als Moderator im Projektlenkungsausschuss für das geplante Gesundheitsnetz in der Region Simmental Saanenenland eng und bringt dort sein Know-how ein.

Warum ist das Spital in Zweisimmen «versorgungsnotwendig»?

Seit 2013 gilt im Kanton Bern folgende Regel: Pro Region müssen 80 Prozent der Bevölkerung in 30 Minuten Fahrzeit ein Spital erreichen bzw. der Weg zum nächsten Spital darf nicht länger als 50 Kilometer sein. Ohne das Spital Zweisimmen sinkt in der Region der Bevölkerungsanteil mit 50-Kilometer-Zugang von 99 auf 92 Prozent – die 100-Prozent-Vorgabe wäre damit deutlich unterschritten. Ob ein Spital notwendig ist, hängt aber auch von der tatsächlichen Nachfrage ab. Der Regierungsrat unterstrich 2013 die Rolle des Spitals in Zweisimmen, dieses übernehme in der Grundversorgung und der Notfallversorgung eine bedeutende Rolle für die lokale Bevölkerung; das Spital zähle aufgrund des kleinen Einzugsgebiets jedoch zu den Spitälern mit tiefen, wenn nicht kritischen Fallzahlen, um das Spital kostendeckend zu betreiben. Um kleine Spitäler aufrechterhalten zu können, so der Regierungsrat, sei u.a. eine «höhere Inanspruchnahme vor Ort von Vorteil». Genau das ist das Ziel des geplanten Gesundheitsnetzes: Die Auslastung des Spitals Zweisimmen soll mit einem ergänzenden und bedarfsgerechten stationären Angebot deutlich verbessert werden. Für den Fall eines negativen Volksentscheids am 19. November 2023 zum finanziellen Engagement der Gemeinden hat Regierungsrat Pierre Alain Schnegg angekündigt, dass die Versorgungsnotwendigkeit des Spitalstandorts Zweisimmen überprüft wird. Dies auch, weil sich in den vergangenen 10 Jahren seit der Einführung der «Distanzkomponente» Art und Umfang der medizinischen Versorgung stark verändert haben. Ehemals stationäre Leistungen werden dank des medizin-technischen Fortschritts zunehmend in den ambulanten Sektor verlagert und ein stationärer Aufenthalt ist heute häufig nicht mehr nötig.

Nutzen des Spitals Zweisimmen

Was sind die Vorteile eines nahe gelegenen Spitals für die Bevölkerung?

Der Zugang zu einem wohnortsnahen Akutspital mit 24-Stunden-Notfall hat für viele Bevölkerungsgruppen Vorteile:

Ältere Menschen: Im Alter nimmt der Bedarf nach Gesundheitsleistungen zu. Dank dem Spital Zweisimmen können die Bewohner:innen von Alters- und Pflegeheimen in der Nähe medizinisch betreut werden. Das stationäre Angebot in Zweisimmen soll mit Fokus auf die Bedürfnisse der älter werdenden Bevölkerung sukzessiv erweitert werden. Im Alter wächst zum Beispiel die Sturzgefahr; künftig sollen im Fall eines Sturzes chirurgische Eingriffe wie Hüftprothesen in Zweisimmen durchgeführt werden können. Heute müssen Patienten dafür mindestens bis nach Thun fahren. Bleibt das Spital in Zweisimmen erhalten, bleiben die Fahrzeiten auch für die Angehörigen kurz. Der soziale Kontakt von Patientinnen und Patienten zur Familie und zu Freunden fördert laut Studien den Genesungsprozess. Ebenso verbessert das geplante Versorgungsnetz die Koordination an den Schnittstellen zu Alterswohnen und Spitex.

Schwangere und junge Familien: Das Spital Zweisimmen ist für die Maternité Alpine bei der Erstversorgung von unvorhergesehenen geburtshilflichen Notfällen unabdingbar. Im Falle eines unvorhersehbaren geburtshilflichen Notfalls bei einer Geburt, ist die Möglichkeit einer sofortigen chirurgischen Intervention zwingend notwendig. Ohne Maternité Alpine und Spital im Hintergrund müssen schwangere Frauen und ihre Angehörigen längere Fahrzeiten in Kauf nehmen, wobei schwierige Witterungsverhältnisse zusätzlich erschwerend sein können. Auch viele Touristinnen profitieren von dem geburtshilflichen Angebot. Ein Spital in der Nähe hat auch Vorteile für Familien mit älteren Kindern: das heutige Spital hat einen kantonalen Leistungsauftrag für kleinere chirurgische Eingriffe in ambulanten Notsituationen bei Kindern ab 6 Jahren; so müssen Kinder etwa nach einer Fraktur nicht nach Thun gebracht werden.

Tourist:innen und Sportler: Dank Spital mit 24-Stunden-Notfall lassen sich etwa Skiunfälle (z. B. Beinbruch) vor Ort behandeln. Die Verlegung nach Thun oder Interlaken ist mit hohen Transportkosten verbunden und stellt die Patienten und ihre Angehörigen häufig auch vor praktische Probleme. Ebenso stellt das Spital Zweisimmen die Dialyse (Blutreinigung) für Feriengäste sicher.

Alle Bewohner:innen: Rund um die Uhr stehen medizinische und pflegerische Fachpersonen im Spital zur Sicherstellung der Gesundheit der Wohnbevölkerung zur Verfügung.

Ist die Maternité Alpine ohne Spital mit Notfall gefährdet?

Die Maternité Alpine bietet gesunden Schwangeren und ihren Kindern eine qualitativ hochstehende Betreuung während der Geburt und Wochenbettzeit. Die hebammengeleitete Geburtshilfe in der Maternité Alpine ist interventionsarm und wohnortsnah, was einem grossen Bedürfnis der Frauen und ihren Partnern entspricht. Das Angebot einer 24h besetzten Anlaufstelle für die Erstversorgung von geburtshilflichen Notfällen mit nachfolgender Triage, fachlicher Beratung rund um Schwangerschaft, Geburt und die erste Lebenszeit, erhöht massgeblich die Sicherheit und das Wohlergehen der Frauen und Familien in der Region. Im Falle eines unvorhersehbaren geburtshilflichen Notfalls bei einer Geburt, ist die Möglichkeit einer sofortigen chirurgischen Intervention zwingend notwendig. Ohne Akutspital ist der Betrieb der Maternité Alpine gefährdet. Zudem könnten keine ambulanten Kaiserschnitte mehr angeboten werden. Ambulante Leistungen wie Schwangerschaftskontrollen, Geburtsvorbereitungs- und, Rückbildungskurse, sowie die Wochenbettbetreuung zu Hause, könnte die Maternité Alpine grundsätzlich weiterhin erbringen. Aus organisatorischen und finanziellen Gründen ist dieses Szenario jedoch unrealistisch. Die fehlenden Einnahmen ohne Geburten, sind für den Betrieb wirtschaftlich nicht tragbar. Es ist unwahrscheinlich, dass ohne Geburten genügend Hebammen rekrutiert werden könnte. Die sinkende Attraktivität für die Hebammen würde den Fachkräftemangel massgeblich verschärfen. Die daraus entstehenden finanziellen Auswirkungen wären einschneidend.

Welche Leistungen bietet das neue Spital an?

Das bestehende stationäre und ambulante Leistungsangebot soll über die nächsten sechs Jahre sukzessive erweitert werden. Das angestrebte künftige Angebot umfasst: Gastroenterologie (Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts), kleine Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie), Urologie, Pneumologie, Orthopädie (elektive Erstprothesen wie Hüfte Knie, Schulter, Fuss und Wirbelsäulenchirurgie), Handchirurgie. Neue stationäre Leistungsaufträge muss der Kanton erteilen. Eine Vorprüfung ist erfolgt, welche grundsätzlich positiv ausgefallen ist. Auch künftig wird es aber Fälle geben, die direkt in ein Zentrumspital wie Thun oder ins Inselspital nach Bern verlegt werden müssen. Bei einem Herzinfarkt etwa ist der rasche Transport des Patienten nach Thun erforderlich oder bei einem Schlaganfall die Verlegung ins Inselspital nach Bern. Wie schon heute ist dafür ein gutes Rettungswesen notwendig.

Ist im kleinen Spital Zweisimmen die Qualität gewährleistet?

Der Kanton erteilt Spitälern nur dann einen Leistungsauftrag, wenn sie vorgegebene Qualitätsanforderungen erfüllen. Das Spital Zweisimmen erreicht die notwendige Qualität für einen Leistungsauftrag in der Grundversorgung (Basisausstattung für Spitäler mit Notfall / Chirurgie und Innere Medizin). Auch im Notfall des künftigen Spitals ist die Qualität rund um die Uhr gewährleistet: In der Nacht sind erfahrene Fachärzt:innen und Ärzt:innen in Ausbildung vor Ort. Falls medizinisch notwendig, sind Fachärzt:innen der Inneren Medizin und Chirurgie innerhalb von 30 Minuten und Anästhesisten innerhalb von 15 Minuten im Spital.

Wie wichtig ist ein Akutspital für die hausärztliche Grundversorgung in der Region?

Das Spital Zweisimmen bildet das Rückgrat der medizinischen Grundversorgung im Saanenland und Obersimmental. Eine Spitalschliessung bzw. Umwandlung in ein ambulantes Zentrum hätte aus Sicht der GSS AG schwerwiegende Folgen für die Hausarztversorgung. Die Unterversorgung in der Hausarztmedizin wird vom Spital Zweisimmen aufgefangen, das Spital musste hierfür das Personal aufstocken. Der Spitalnotfall gilt als Auffangbecken für erwachsene Patient:innen und Kinder sowie Gäste der Region, die kurzfristig keinen Termin in der Hausarztpraxis erhalten. Weil niedergelassene Hausärzt:innen häufig keine Kapazitäten mehr haben, behandelt der Spitalnotfall auch Bagatellen wie Husten.

Entlastet der Spitalnotfall in der Nacht die Hausärzt:innen?

In der Nacht übernimmt der Spitalnotfall den hausärztlichen Notfalldienst und ist Anlaufstelle für die gesamte Bevölkerung des Simmentals und Saanenlandes und der Feriengäste. Da die Ärzt:innen das Spital nicht verlassen dürfen, sind die niedergelassenen Hausärzt:innen für den Hintergrunddienst in der Nacht zuständig und teilen sich diesen in einem Rotationssystem auf. Ohne die Unterstützung des Spitals wäre die Zusatzbelastung für die niedergelassenen Hausärzt:innen markant grösser. Es wäre so noch schwieriger, Praxisnachfolgen zu regeln und neue Hausärzt:innen zu finden. Die Dienstbelastung ist laut Auskunft von niedergelassenen Hausärzt:innen ein häufiger Grund, weshalb sich zunächst interessierte Fachärzt:innen am Ende doch gegen ein Engagement in der Region entscheiden.

Was bringt das Gesundheitsnetz der Spitex?

Für die Spitex hat die Zusammenarbeit mehrere Vorteile. Aufgrund des Trends, dass betagte Menschen möglichst lange zu Hause in der gewohnten Umgebung leben wollen, dürfte der Bedarf nach Spitex-Leistungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Damit wächst der Koordinationsbedarf mit Einrichtungen wie dem Spital und Alters- und Pflegeheimen. Um eine optimale Behandlung zu gewährleisten, sieht das Gesundheitsnetz in solchen Fällen künftig die Koordination der Betreuung aus einer Hand vor (Case Management). Dank der Integration der Spitex ins Gesundheitsnetz Simme Saane lassen sich die Absprachen an den Schnittstellen verbessern und die Behandlungsqualität für die Patient:innen erhöhen. Die verstärkte Zusammenarbeit empfiehlt sich auch aus Kostengründen: Der wirtschaftliche Druck im Gesundheitswesen steigt. Synergien bei technischen und administrativen Aufgaben (IT, Personalwesen, Finanzen etc.) bringen willkommene Entlastung und wirken dem finanziellen Druck entgegen. Der Kanton Bern will die Anzahl der Spitex-Versorgungsregionen (heute 47) reduzieren. Dazu wird im Jahr 2025 eine öffentliche Ausschreibung durch den Kanton erfolgen. Diese Neuorganisation gilt als Basis für die Leistungsperiode 2026 bis 2029 – deshalb wird eine Integration ab dieser Leistungsperiode angestrebt.

Was bedeutet das Gesundheitsnetz für das Alterswohnen?

Mit der älter werdenden Bevölkerung nimmt die Zahl der Patient:innen mit mehreren chronischen Krankheiten zu. Zusammen mit der Spitex Saane-Simme bildet das Alterswohnen das Rückgrat der Altersversorgung im Obersimmental und Saanenland. Deshalb liegt der Fokus der GSS AG auf einer optimalen Versorgung der älter-werdenden Bevölkerung. Im Gesundheitsnetz Simme Saane werden bestehende Synergien des Alterswohnens mit dem Spital Zweisimmen erhalten und neue Synergien im Verbund über die gesamte Behandlungskette (Akutspital, Spitex und Alterswohnen) entwickelt. Um eine optimale Behandlung zu gewährleisten, sieht das Gesundheitsnetz in solchen Fällen künftig die Koordination der Betreuung aus einer Hand vor (Case Management). Dank der Integration des Alterswohnens ins Gesundheitsnetz Simme Saane lassen sich die Absprachen an den Schnittstellen verbessern und die Behandlungsqualität für die Patient:innen erhöhen. Die verstärkte Zusammenarbeit empfiehlt sich auch aus Kostengründen: Der wirtschaftliche Druck im Gesundheitswesen steigt. Bereits bestehende und neue Synergien bei technischen und administrativen Aufgaben (IT, Personalwesen, Finanzen etc.) bringen willkommene Entlastung und wirken dem finanziellen Druck entgegen. Ein besonderes Augenmerk der GSS AG liegt auf dem Infrastrukturprojekt am Standort Zweisimmen, das eine neue Demenzabteilung vorsieht.

Wie gross ist die volkswirtschaftliche Bedeutung des Spitals für die Region?

Mit rund 130 Vollzeitstellen ist das Spital Zweisimmen heute einer der grössten Arbeitgeber in der Region. Im Fall einer Spitalschliessung gehen nach Einschätzung der GSS mindestens 60 Vollzeitstellen in der Region verloren – diese Zahl entspricht in etwa jenen Leistungen, die ein ambulantes Gesundheitszentrum nicht anbietet (OP-Betrieb, Anästhesie, Chirurgie etc.). Aufgrund des akuten Fachkräftemangels werden die Arbeitnehmenden mühelos eine neue Stelle finden. Es besteht das Risiko eines Wegzugs, der tiefere Steuereinnahmen für die Gemeinden bedeutet. Das lokale Gewerbe – von Druckereien über Gärtnereien bis zu Metzgereien und Bäckereien – hat ohne Spital weniger Aufträge und damit ebenfalls weniger Einnahmen.

Wie wichtig ist das Spital für den Tourismus?

Die Möglichkeit einer nahen Behandlung von Notfällen wie z.B. Herz-Kreislaufschwächen, Entgleisung von chronischen Erkrankungen oder Sportverletzungen mit Frakturen ist ein Standortvorteil für die Ferienregion. Das Spital stellt nebst Chirurgie, Innere Medizin etc. auch die Dialyse (Blutreinigung) für Zweitheimische und Feriengäste sicher. Die geplante Privatklinik in Gstaad ist kein Ersatz: Sie richtet sich an eine internationale selbstzahlende Klientel, das Angebotsportfolio sieht medizinische Leistungen in Spezialgebieten vor, Chirurgie ist nicht geplant. Die Bergregion Obersimmental-Saanenland, die für eine starke Wirtschafts- und Tourismusregion einsteht, schreibt in einer Stellungnahme: «Ein regionaler Gesundheitscampus mit Akutspital in Zweisimmen stärkt die Region, erhöht die Standortattraktivität und bietet der Bevölkerung, dem Gewerbe sowie dem Tourismus auch längerfristig einen Mehrwert.»

Finanzierung, Kosten und Businessplan

Wie wird das «Gesundheitsnetz Simme Saane» finanziert?

Das Gesundheitsnetz Simme Saane wird finanziert über die Verrechnung von ambulanten und stationären Leistungen gemäss Krankenversicherungsgesetz. Hinzu kommen jährlichen Beiträge der Gemeinden in der Höhe von CHF 1.5 Mio. und des Kantons Bern in der Höhe von CHF 2.0 Mio. Die Spital STS AG leistet einen Beitrag in der Höhe von CHF 7.5 Mio. gesamthaft über 3 Jahre (2025 – 2027) an das Gesundheitsnetz.

Wie zuverlässig ist die Kostenschätzung für den Spitalneubau?

Die Kosten von 27 Mio. Franken für den Spitalneubau sind nicht eine Schätzung, sondern eine Vorgabe: Das neue Spital wird so geplant und konstruiert, dass das Kostenziel eingehalten wird (Design-to-Cost). Die 27 Mio. sind laut Businessplan tragbar und ermöglichen die benötigte Geschossfläche. Als Benchmark dienten vergleichbare Spitalprojekte wie z.B. die Klinik Gut in Fläsch (Graubünden). Die Kosten für den Neubau hat ein erfahrener externer Architekt berechnet. Im Businessplan ist über die Jahre 2019 bis 2029 eine Inflation von insgesamt 11.2% eingerechnet (kumulativ). Für den Fall einer noch stärkeren Teuerung enthält der Plan genügend Reserven. Ebenfalls eingerechnet sind die kalkulatorischen Abschreibungen des Spitalneubaus auf die Nutzungsdauer von 25 Jahren. Im Weiteren sind jährliche Anlagenutzungskosten von 0.7 Mio. Franken enthalten. Die Personal- und die Sachkosten wurden ab 2024 mit einer jährlichen Teuerung von 0.8% kalkuliert.

Sind die steigenden Hypozinsen bei der Finanzierung berücksichtigt?

Der Businessplan beruht aufgrund der aktuellen Finanzierungsbereitschaft der Banken auf einem Finanzierungsanteil der Geldinstitute von 60% (16.2 Mio. Franken). Gerechnet wird mit einem Hypothekarzins von 3.5%, wobei der Businessplan auch einen höheren Zins zulässt. Seitens der Banken liegen erste Offerten auf dem Tisch und es konnten erste Gespräche mit weiteren Investoren geführt werden. Nach der allfälligen Zustimmung der Gemeindeversammlungen zur finanziellen Beteiligung der sieben Gemeinden gehen die Gespräche mit Banken und Investoren weiter. Bei Letzteren handelt es sich um Personen mit emotionalem Bezug zur Region; bei ihnen stehen nicht finanzielle Interessen (z. B. Rendite) im Vordergrund. Aufgrund der hohen Investitions- und Rückbautätigkeit benötigt die GSS AG eine Kreditlimite in der Höhe von 13.0 Mio. Franken vom Kanton Bern. Ein entsprechender Antrag muss nach erfolgter Volksabstimmung durch den Gesamtregierungsrat und den Grossen Rat genehmigt werden. Gemäss Businessplan können die beanspruchten Gelder innerhalb von 16 Jahren zurückbezahlt werden. Als Basiszinssatz wurden die kantonalen Bestimmungen und der aktuelle Referenzzinsatz des Bundesamtes für Wohnungswesen (Stand: 2.6.2023) von 1.5% plus 0.25% pro zusätzlichem Jahr verwendet.

Worauf stützt sich die erwartete Zunahme der Fallzahlen?

Effektiv rechnet der Businessplan mit rund 180 neuen Fällen für die Jahre 2024 bis 2029 oder mit rund 30 zusätzlichen Fällen pro Jahr. Mittels Kooperationen etwa mit der Spital STS AG in Thun und mit einem Belegarztmodell soll das stationäre Leistungsangebot erweitert werden. Belegärzte und Belegärztinnen behandeln ihre Patientinnen und Patienten in der Klinik, sind aber nicht dort angestellt; sie rechnen bei Privatpatienten direkt ab und bei Kassenpatienten über die Krankenkassen ab. Das Leistungsangebot des Spitals soll in den nächsten Jahren ausgebaut werden und folgende Disziplinen umfassen: Gastroenterologie, kleine Viszeralchirurgie, Urologie, Pneumologie, Orthopädie (elektive Erstprothesen Hüfte Schulter, Fuss, Knie und Wirbelsäulenchirurgie), Handchirurgie. Das ergänzende Leistungsangebot benötigt einen kantonalen Leistungsauftrag. Eine Vorprüfung mit grundsätzlich positivem Entscheid durch das Gesundheitsamt ist erfolgt. Die erwartete Fallzahlsteigerung ergibt sich aus stationären Fällen von Patienten aus dem Niedersimmental, Obersimmental und Saanenland, die heute in Thun erfolgen. Aufgrund der demographischen Entwicklung, insbesondere in der Altersgruppe ab 60 Jahren, ist mit einer Zunahme an Leistungen, die eine stationäre Nachversorgung im Spital brauchen, zu rechnen. Für diese Altersgruppe fallen die Vorteile des Spitals Zweisimmen besonders ins Gewicht: Wohnortnähe, familiäre Atmosphäre, langjähriges qualifiziertes Fachpersonal aus der Region mit grosser Loyalität zum Spital.

Ab wann ist mit einem positiven Ergebnis zu rechnen?

Das bisher von der STS AG ausgewiesene Defizit für den Spitalbetrieb in Zweisimmen lässt sich dank der jährlich wiederkehrenden Beiträge des Kantons und der Gemeinden sowie neuen stationären elektiven Eingriffen in der Nebensaison zur Erreichung einer höheren Auslastung schrittweise reduzieren. Ebenfalls rechnet die GSS AG mit tieferen jährlichen Abschreibungen. So rechnet der Businessplan ab 2025 mit einem positiven Ergebnis. Dank der Umsetzung des integrierten Versorgungsmodells ergeben sich zusätzlich Einsparungen von rund 1 Mio. Franken dank Synergien bei den unterstützenden Dienstleistungen, die heute innerbetrieblich in Thun eingekauft werden. Der Spitalneubau ermöglicht schlanke Abläufe und Kostenvorteile bei Vorhalteleistungen.

Wie solid und belastbar sind die Finanzprognosen?

Als Datenbasis wurden die offengelegten IST-Zahlen 2019 der STS AG respektive des Spitals Zweisimmen verwendet. Der Businessplan wurde in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Gesundheitsexperten und langjährigen Spitaldirektor erstellt und mit den Zahlen aus dem integrierten Versorgungsnetz in Scuol verglichen. Der Antrag auf ein Darlehen und eine Bürgschaft und der zugrunde liegende Businessplan wurden dem Kanton zugestellt. Infolge einer ersten Überprüfung des Antrages wurden Präzisierungen und Anpassungen im Antrag sowie im Businessplan vorgenommen, welche in der Abstimmungsbotschaft berücksichtigt werden.

Wie gross ist das finanzielle Risiko für die Gemeinden?

Sollte die GSS in finanzielle Schwierigkeiten geraten, trägt bei einem Konkurs der Kanton Bern im Rahmen seiner Bürgschaft und des allfälligen Kreditausfalls das finanzielle Risiko. Denn bei einer Konkurseröffnung fallen die Kreditzusagen der Gemeinden ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung dahin. Falls sich die Finanzsituation gegenüber dem Businessplan negativ entwickelt, kann die GSS AG den Gemeinden theoretisch zusätzliche Mittel beantragen. In diesem Fall braucht es aber eine Volksabstimmung, also die Zustimmung der Gemeindeversammlungen für neue Beiträge. Eine Nachschusspflicht für die Gemeinden besteht nicht. In anderen Worten: Am 19. November 2023 stimmen die Gemeinden über einen jährlich wiederkehrenden Beitrag von insgesamt 1.5 Mio. Franken und einem jährlichen wiederkehrenden Beitrag von CHF 300’000 Franken für die Periode 2024 bis 2028 für den Aufbau und die Entwicklung des Gesundheitsnetzes Simme Saane ab – weitere Beträge müssten von der Stimmbevölkerung zwingend genehmigt werden.

Für welche Szenarien genügt die Bürgschaft des Kantons, für welche nicht?

Die Bürgschaft des Kantons reicht für das Best- und Real-Case Szenario, nicht aber für das Worst-Case-Szenario. Letzteres beruht auf der Summe der schlimmstmöglichen Entwicklungen: Der Kanton genehmigt keine neuen Leistungsaufträge; der Fachkräftemangel verschärft sich; der Spitalneubau ist nicht realisierbar; der Basispreis für die erbrachten Leistungen – er wird durch die Tarifpartner verhandelt – bleibt jahrelang unverändert (9’715 Franken); das Defizit wächst jährlich um 5% und es würde eine Überschuldung entstehen. In diesem Extrem-Szenario müsste der Verwaltungsrat der GSS AG umfassende Sanierungsmassnahmen beschliessen; dabei könnte sich unter anderem die Frage nach zusätzlichen Beiträgen der Gemeinden stellen, um den Konkurs abzuwenden.

Wie zukunftsträchtig ist das geplante Gesundheitsnetz mit eigenem Spital?

Integrierte Versorgungsmodelle mit einer starken Zusammenarbeit der – unter einem betrieblichen Dach vereinten – lokalen Partner und mit regionaler Führung erzielen gute Ergebnisse, in der Schweiz wie auch im Ausland. Beispiele sind nebst dem Gesundheitszentrum Scuol (Graubünden) sowie die zahlreichen Accountable Care Organizations in den USA. In diesen Versorgungsmodellen ist jeweils eine Spitalversorgung integriert. Insbesondere in Regionen mit älterer Bevölkerung ist die integrierte Versorgung sehr wichtig, da diese Bevölkerungsschicht auf optimale Absprachen und Koordination zwischen den verschiedenen Leistungserbringenden angewiesen ist.

Personal und Rekrutierung von Fachkräften

Was ändert sich für die heutigen Mitarbeitenden der verschiedenen Betriebe?

Die GSS AG will alle Mitarbeitenden, die dies möchten, zu den heutigen Lohn- und Arbeitsbedingungen übernehmen. Es gilt eine dreijährige Besitzstandwahrung. Angesichts des Fachkräftemangels gilt es, möglichst attraktive Arbeitsplätze mit vorteilhaften Bedingungen anzubieten. Auch die Zentralisierung bestimmter Aufgaben führt nicht zu Entlassungen, im Gegenteil: Die Herausforderung besteht auch hier darin, qualifiziertes Personal für die IT, das Finanz- und Rechnungswesen oder auch für das Personalwesen zu finden. Dabei steht die GSS AG nicht unter Zeitdruck, stellt doch die Spital STS AG diese Leistungen während einer Übergangsphase von drei Jahren sicher. Falls sich ein bestimmter Bereich nicht fristgerecht aufbauen lässt, besteht die Möglichkeit, die Aufgaben vorübergehend auszulagern.

Was wird unternommen, um das benötigte medizinische Personal zu finden?

Heute hat das Spital Zweisimmen wie auch andere Spitäler trotz intensiver Rekrutierungs- und Personalmassnahmen Mühe, neues Personal zu rekrutieren und Mitarbeitende zu halten – nicht zuletzt, weil dem Spital eine klare Perspektive fehlt. Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist eine akute Bedrohung für das Spital. Mit dem geplanten Gesundheitsnetz erhält der Standort Zweisimmen wieder eine Zukunftsperspektive. Die übersichtliche Grösse des Spitals und seine familiäre Atmosphäre sind auf dem Arbeitsmarkt durchaus ein Vorteil: In Zweisimmen sind die Mitarbeitenden keine Nummer. Bei der Personalsuche wird der Fokus auf der Region liegen: Das hier wohnhafte Gesundheitsfachpersonal will auch in der Region arbeiten. Ebenso ist vorgesehen, in die Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals zu investieren; den Mitarbeitenden wird künftig etwa über alle Pflegestufen (Akut-, Langzeit-und Übergangspflege) hinweg ein berufsbegleitendes Studium zur diplomierten Pflegefachfrau oder zum diplomierten Pflegefachmann HF angeboten – das ist einzigartig im Kanton Bern. Auf Wunsch soll es auch möglich sein, im Sinn einer abwechslungsreichen Tätigkeit in verschiedenen Einrichtungen arbeiten zu können (Spitex, Alterswohnen, Spital). So hat die GSS AG gute Chancen, eine attraktive Arbeitgeberin zu werden. Was mögliche Belegärzte und -ärztinnen betrifft, die für den geplanten Ausbau des Leistungsangebots erforderlich sind, laufen Gespräche mit Fachärzten und Fachärztinnen, die Interesse an einem Engagement in Zweisimmen bekunden.

Was passiert, wenn man das nötige Personal nicht findet?

Der Fachkräftemangel stellt im Gesundheitswesen schweizweit die grösste Herausforderung dar – das Risiko betrifft also nicht nur die GSS AG. Bereits heute ist die Personalsituation im Spital Zweisimmen – trotz intensiver Rekrutierungs- und Personalmassnahmen – prekär. Das Fehlen einer klaren Perspektive erschwert es, neues Personal zu rekrutieren und Mitarbeitende zu halten; der OP-Betrieb ist mangels Personals reduziert. Mit der geplanten Angebotserweiterung, dem Spitalneubau und der verstärkten Zusammenarbeit in einem breiten Versorgungsnetz verbessern sich die Zukunftsaussichten für den Standort Zweisimmen und damit auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn sich das nötige Personal nicht rechtzeitig finden lässt, hat dies Einfluss auf das Projekt und für den Spitalneubau.

Gesundheitszentrum als Alternative

Was bedeutet die Umwandlung des Spitals in ein ambulantes Gesundheitszentrum?

In Meiringen wurde das Spital im Jahr 2007 in ein ambulantes Gesundheitszentrum umgewandelt. Über die Jahre entstand ein vielfältiges Angebot: Hausärzt:innen, die Spitex, Physiotherapeut:innen und Beratungsstellen bieten ihre Dienstleitungen im gleichen Gebäude an. Doch zwischen Meiringen und Zweisimmen gibt es einen wesentlichen Unterschied: die Distanz bzw. die Fahrzeit zum nächstgelegenen Spital. Die Fahrt von Meiringen bis ins Spital Interlaken dauert 35 Minuten, jene von Boltigen ins Spital Thun hingegen bereits 42 Minuten, von der Lenk nach Thun über eine Stunde und von Lauenen rund eine Stunde und 30 Minuten. Anders als in Meiringen fehlt also der Bevölkerung im Obersimmental und Saanenland nach der Umwandlung in ein ambulantes Gesundheitszentrum die wohnortsnahe Spitalversorgung.

Könnte ein Gesundheitszentrum einen 24-Stunden-Notfall anbieten?

Ob ein ambulantes Gesundheitszentrum einen 24-Stunden-Notfall sicherstellen kann, hängt massgeblich von der Finanzierung und von der Verfügbarkeit vom Fachpersonal ab. Aus Sicht der GSS AG ist das Risiko gross, dass die Umwandlung des Spitals in ein ambulantes Gesundheitszentrum die Standortattraktivität von Zweisimmen und der gesamten Region insbesondere für Ärzt:innen verringert. Ein aktuelles Versorgungskonzept für ein regionales, ambulantes Gesundheitszentrum liegt nicht vor. Die Partnerorganisationen haben sich mit voller Kraft und Engagement für ein Versorgungsmodell mit Spital eingesetzt. Aus diesem Grund kann die Spital STS AG zum heutigen Zeitpunkt lediglich die nicht vertieft geprüften Umrisse eines regionalen ambulanten Gesundheitszentrums skizzieren. Die Bevölkerung hat Zugang zu einem ambulanten Notfall, in welchem eine professionelle medizinische Triage durchgeführt wird. Die stationäre Nachversorgung der Notfälle würde in den nächstgelegenen Spitälern erfolgen. Die bodengebundene Rettungskette in der Region wäre durch ein weiteres Team mit Fahrzeug zu verstärken. Ein Detailkonzept für ein ambulantes Gesundheitszentrum müsste mit entsprechendem Vorlauf durch die Spital STS AG noch entwickelt werden.

Was wäre das sonstige Angebot?

Laut Grobskizze der Spital STS AG fungiert das ambulante Gesundheitszentrum als zentrale Anlaufstelle der Gesundheitsversorgung. Das Zentrum stellt nebst der ärztlichen Grundversorgung auch Angebote der spezialisierten Versorgung in Form von Spezialsprechstunden sicher, allenfalls auch Leistungen wie Physiotherapie. Optional ist zum Beispiel vorstellbar, das bestehende ambulante psychiatrische Angebot mit Sprechstunden und Therapie weiterzuführen. In dem Gesundheitszentrum stehen für die Diagnostik Labor sowie bildgebende und elektrophysiologische Diagnostik gemäss ambulantem Praxisstandard zur Verfügung stehen. Spezialisierte Diagnostik führen die nächstgelegenen Spitäler, Fachpraxen oder andere externe Partner durch. Für ambulante und kleine operative Eingriffe ist ein Praxis-OP-Raum vorgesehen.

Entstehung

Wie kamen die Bemühungen für eine umfassende Grundversorgung in Gang?

Seit Jahren setzt sich die Region Simmental-Saanenland für den Erhalt des Spitals Zweisimmen ein. Als direkte Auswirkung der neuen schweizweiten Spitalfinanzierung wurde 2012 das Spital Saanen geschlossen. Vor diesem Hintergrund und im Auftrag des Kantons konzipierte und realisierte die Region in den Jahren 2012 bis 2014 das Modellvorhaben Medizinische Grundversorgung Obersimmental-Saanenland (MeGOS). Das übergeordnete Ziel war es, die strukturellen Grundlagen für die langfristige Sicherung der medizinischen Grundversorgung zu schaffen – unter Einbezug und in Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern. Beispielhaft wurde in einer peripheren, voralpinen bzw. alpinen Region ein Modell zur integrierten Versorgung entwickelt und evaluiert. Alle vergleichbaren Landesgegenden stehen vor den gleichen grossen Herausforderungen: In peripheren Regionen gerät die Gesundheitsversorgung oft sektorübergreifend (ambulant und stationär) in Bedrängnis; die oft wenigen Leistungserbringer sind auf eine vergleichsweise enge Zusammenarbeit angewiesen und übernehmen in der Regel unterschiedliche Funktionen der medizinischen Grundversorgung (Notfallversorgung, Langzeitpflegeversorgung, Diagnostik etc.).

Wie ist das konkrete Projekt für ein Gesundheitsnetz mit Akutspital entstanden?

Die Anliegen von MeGOS wurden später durch das Projekt Medizinische Grundversorgung Simmental-Saanenland (MeGSS) weitergeführt. 2015 präsentierte die Spital STS AG unter dem Namen Dr. House das Projekt für einen Spitalneubau in Zweisimmen und die betriebliche Zusammenführung der Angebote Akutversorgung, Alterswohnen und Hausarztmedizin. Die Investitionskosten wurden mit 51,8 Mio. Franken veranschlagt, wovon rund 43 Mio. Franken für den Neubau. Der Kanton sah zu viele offene Fragen insbesondere hinsichtlich des Angebotsportfolios; er lehnte 2017 jährliche Beiträge in der Höhe von 3,4 Millionen Franken ab. Darauf initiierte Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg das Projekt «Gesundheit Simme Saane». Die Abklärungen ergaben 2019, dass sich das Spital Zweisimmen langfristig erhalten lässt, wenn die Spital STS AG, der Kanton und die Gemeinden partnerschaftlich ihren Beitrag leisten. Die Projektergebnisse wurden an die Gesundheit Simme Saane AG übergeben. In Konsultativabstimmungen stellte sich die Stimmbevölkerung im Obersimmental und Saanenland 2021/2022 mit klaren Mehrheiten hinter das Vorhaben und beauftragte die Gesundheit Simme Saane AG, ein detailliertes Konzept für ein integriertes Gesundheitsnetz mit Akutspital, Langzeitpflege, Spitex und Geburtshaus unter einem Dach zu erarbeiten. Daraufhin wurden die Verhandlungen mit der Spital STS AG und der GSI aufgenommen. Am 11. November 2022 konnte eine gemeinsame Absichtserklärung mit dem gemeinsamen Ziel «Gesundheitsnetz Simme Saane» unterzeichnet werden. Ende 2022 schlossen sich der Spitex-Verein Saane-Simme und der Genossenschaft Maternité Alpine an und unterzeichneten ebenfalls Absichtserklärungen.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zur Abstimmungsvorlage

Bericht zum Businessplan

Video: Info-Veranstaltung vom 8.8.2023

Stellungnahme Kanton Bern zur Versorgungsnotwendigkeit vom 5. Juli 2023

Stellungnahme Spital STS AG zur ambulanten Versorgung vom 9. Juli 2023

«Gesundheitsnetz Simme Saane» – die Weichen sind gestellt» vom 17. November 2022

«Sanierungsmassnahmen und Schätzung der Kosten» vom 15. Dezember 2022

Konzeptpräsentation Spitalneubau GSS vom 21. Februar 2023